Eat. Sleep. Edit. Repeat!
Zwischen Inspiration und Feinschliff. Ist ein Text je wirklich fertig? Perfektion ist eine Illusion – aber man kann sich ihr annähern. Mein persönliches Fazit ein Jahr nach der Fertigstellung des Rohmanuskripts: Überarbeitung ist eine Kunst für sich.
Luk Schmid
9/26/2025
Vor fast genau einem Jahr habe ich das Manuskript meines Debütromans PHYKAL - Synchromancer an den LeeBooks Verlag geschickt. Damals hatte ich das Gefühl, den Roman in eine Form gebracht zu haben, die es mir erlaubte, die Geschichte loszulassen und mich für einen Verlagsvertrag zu bewerben. Das hat im Endeffekt ja auch wunderbar geklappt. Ich war tatsächlich überzeugt, den Text bereits in seiner bestmöglichen Form so weit geschliffen zu haben, dass ich ihn mit gutem Gewissen ins Lektorat geben könnte. Ein fulminanter Irrtum!
Vom Verlag wurde mir in Aussicht gestellt, dass mein Roman Anfang 2026 ins Lektorat geht und Mitte 2026 erscheinen wird. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt bereits mit der Fortsetzung von Synchromancer begonnen – aber mein Gefühl sagte mir dann doch: Nutze die Zeit bis zum Lektorat, um den Roman nochmals zu lesen und gegebenenfalls weiter zu optimieren.
Tja, was soll ich sagen – die beste Entscheidung, die ich treffen konnte.
Seit einem Jahr vergeht kaum ein Tag, an dem ich nicht an meinem Manuskript feile. Selbst jetzt, wenige Wochen bevor Sarah Nierwitzki von Wortkosmos den Roman fürs Lektorat übernehmen wird, beuge ich mich immer wieder über den Text: Ich editiere, ergänze, feile an Satzstellungen, streiche, formuliere um, gebe den Charakteren noch mehr Tiefe, bringe mehr Dramaturgie hinein – und hebe den Text insgesamt auf ein immer höheres Niveau. .
In diversen Foren und Blogs hatte ich schon gelesen - lange bevor ich mit dem Schreiben überhaupt begann - dass die Überarbeitung eines Romans der absolut wichtigste Schritt für jede Autorin und jeden Autor sei – abgesehen natürlich davon, den Roman überhaupt zu beenden. Heute kann ich diese Aussage mit voller Überzeugung bestätigen. Mit jeder Minute, die ich am Text arbeite, wird er besser.
Ich finde in fast jedem Kapitel, in fast jedem Abschnitt Stellen, die optimiert werden können. Es passiert so viel zwischen den Zeilen – quasi auf der Metaebene der Handlung –, das einem erst im Kontext des Gesamtplots auffällt. Finessen, die die Protagonist:innen lebendiger wirken lassen. Querverbindungen im Plot, die ihn schlüssiger machen. Zwischenmenschliche Verstrickungen oder innere Konflikte der Figuren, die sie noch realistischer zum Leben erwecken. Dinge, die mir damals während des Schreibens und in den ersten paar Überarbeitungsschritten völlig entgangen waren. Es sind genau diese Elemente, die in einem Text nicht zwingend fehlen – die aber, sobald sie einmal da sind, unverzichtbar werden. Ein Balanceakt aus tausenden Optionen, die richtigen zu wählen, die den Text wirklich stärker machen.
Manchmal sind es nur einzelne Worte, manchmal ganze Absätze, die einen förmlich anspringen und schreien: Das kannst du besser! Eine Geschichte ist nichts Statisches – ganz im Gegenteil: Sie ist ein organisches Gewebe, das sich formen lässt. Und sie kann wachsen. Doch diese auf den ersten Blick banal erscheinende Erkenntnis war für mich alles andere als selbstverständlich. Man muss als Autor bei der Überarbeitung eine ganz andere Perspektive einnehmen als beim Drauflosschreiben. Diese Perspektive war für mich nicht einfach da – ich musste sie mir erarbeiten. Es ist eine selbstkritische Perspektive, und manchmal hat sie fast etwas Schizophrenes: Man distanziert sich von sich selbst. Man versucht zu vergessen, was man selbst geschrieben hat und liest mit den Augen eines Menschen, der die Geschichte zum allerersten Mal entdeckt.
Ich kannte das schon vom Musikproduzieren: Man wird zu seinem härtesten Kritiker. Aber Musik ist eingängig, entfaltet umgehend Wirkung, Emotionen sind sofort geweckt. Beim Schreiben ist es um ein Vielfaches komplexer. Eine erzählte Geschichte braucht Zeit, um sich zu entfalten. Ihre Wirkung ist verzögert, oft subtil – sie arbeitet leise, zwischen den Zeilen, und offenbart sich dem Leser erst allmählich. Während Musik den Bauch trifft, zielt Literatur auf Kopf und Herz zugleich – und verlangt dafür Geduld, Aufmerksamkeit und einen anderen inneren Resonanzraum.
Man spürt förmlich – gerade als Debütautor –, dass man an seinem eigenen Text wachsen kann. Man wird stilsicherer, mutiger, aber auch kritischer. Man schärft die Sinne für das eigene Werk. Und letztlich ist es doch genau das, was einen Schreiberling besser macht: Schwachstellen aufzuspüren und nachzujustieren. So optimiert man nicht nur einen einzelnen Text, sondern auch sein gesamtes Schreibhandwerk – nachhaltig, davon bin ich überzeugt.
In besagten Foren und Blogs klagen nicht wenige Autor:innen darüber, dass es ihnen ein Graus sei, ihre eigenen Texte zu überarbeiten. Ich für meinen Teil liebe es – und ich bin absolut froh, dass ich über ein Jahr Zeit habe, meine Geschichte, und somit mein Handwerk, zu verbessern. Mit jedem Überarbeitungsschritt rücke ich meinen Protagonist:innen und Antagonist:innen näher. Bilder, Szenen und Situationen werden immer lebhafter, und es macht Spass, mein Kopfkino zu präzisieren, zu veredeln und ihm zusätzliche Facetten zu verleihen.
Schnell kam ich zu dem Schluss, dass für mich persönlich die Überarbeitung eines Romans mindestens genauso aufregend und abenteuerlich ist wie das Schreiben von Grund auf.
Obwohl ich insgesamt sehr viel streiche, ist der Umfang des Textes gewachsen: Seit ich das Manuskript verschickt habe, sind tatsächlich zwei Kapitel dazugekommen – beide eine Bereicherung für den Roman. Die Geschichte ist nach wie vor dieselbe – aber mit jeder Überarbeitung kommt sie meinem persönlichen Goldstandard ein Stück näher.
Und die Fortsetzung von Synchromancer? Seit einem Jahr liegt das Manuskript brach und wartet darauf, bis der Vorgänger sich der Perfektion nähert. Und ich bin mir sicher: Davon wird letzendlich auch die Fortsetzung meines Debütromans profitieren.
Oder um es mit den Worten von Luke Skywalker zu beschreiben: "...bin fast daaa!" ;-)
© 2025. All rights reserved.
Mail: kontakt(at)lukschmid.com




