Sind wir vielleicht doch alleine im Universum?
Im Juli 2022 verfasste ich in meiner damaligen Kolumne in der Lokalzeitung ‚Limmatwelle‘ einen Text über das Fermi-Paradoxon und die damit verbundene Frage: ‚Wo sind sie alle?‘
Luk Schmid
2/20/2025


Als Astrofotograf werde ich immer wieder gefragt, ob ich je ein UFO fotografiert habe. Klar! Es kommt sogar regelmässig vor, dass in einer Aufnahmeserie unidentifizierbare Objekte auftauchen für die ich keine Erklärung habe. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, handelt es sich dabei um atmosphärische Effekte, Spiegelungen der Optik, Flugzeuge, Satelliten oder sogenannte Iridium-Flares. Denn ein UFO ist nicht weniger und nicht mehr wie es der ausgeschriebene Name erklärt: ein unidentifizierbares Flugobjekt. Natürlich zielt die Frage darauf ab, ob es vielleicht doch Ausserirdische waren. Diese Frage führt oft zur nächsten: Gibt es Leben außerhalb der Erde?
Diese Überlegung hat Wissenschaftler und Kulturen seit Jahrhunderten fasziniert. Allein in unserer Milchstraße gibt es schätzungsweise 100 Milliarden Sterne. Selbst wenn nur ein Prozent dieser Sterne Planeten in habitablen Zonen besitzen, entspräche das einer Milliarde potenziell lebensfreundlicher Welten. Diese riesige Zahl legt nahe, dass wir kaum allein sein können. Und doch gibt es bis heute keine Hinweise auf außerirdisches Leben. Das Dilemma wird treffend durch das sogenannte Fermi-Paradoxon beschrieben, das sich aus der berühmten Frage des Physikers Enrico Fermi ableitet: „Wo sind sie alle?“
Das Fermi-Paradoxon thematisiert die Diskrepanz zwischen der hohen Wahrscheinlichkeit für außerirdisches Leben und dem völligen Fehlen von Beweisen dafür. Aktuell sind über 4000 Exoplaneten bekannt, die sich in unserer kosmischen Nachbarschaft befinden. Würden intelligente Zivilisationen existieren und elektromagnetische Signale wie wir verwenden, hätten wir sie vermutlich bereits entdeckt – oder sie uns.
Doch was genau ist „intelligentes Leben“? Schon die Definition von Leben selbst, beispielsweise in Form von sich selbst erhaltenden biochemischen Systemen, ist noch nicht abschließend geklärt. Suchen wir also nach Mikroben oder nach hochentwickelten Zivilisationen?
Der Astronom Nikolai Kardaschow schlug 1964 vor, mögliche außerirdische Zivilisationen in drei Kategorien einzuteilen: K-I-Zivilisationen sind technologisch in der Lage, die gesamte verfügbare Energie (Ressourcen) ihres Heimatplaneten zu nutzen. K-II-Zivilisationen hingegen nutzen bereits die Gesamtenergie ihres Zentralsterns, während K-III-Zivilisationen sogar die Energie ihrer gesamten Galaxie anzapfen können. Die Menschheit hat den K-I-Status bislang noch nicht ganz erreicht. Die Kardaschow-Skala versucht zumindest, zu definieren, nach welchen Zivilisationen oder Strukturen wir Ausschau halten könnten. Ob eine Zivilisation den Sprung zur nächsten Stufe schafft, hängt direkt davon ab, ob es ihr zeitlich und technologisch gelingt, die nächste größere Energiequelle anzuzapfen, bevor ihre aktuelle Energiequelle erschöpft ist. Scheitert sie daran, wäre dies das Ende der Zivilisation und könnte eine mögliche Erklärung für das Fermi-Paradoxon liefern: Eine sogenannte intelligente Zivilisation lebt über ihre Verhältnisse und zerstört sich selbst, bevor sie in der Lage ist, den Weltraum zu kolonisieren. Angesichts unseres eigenen exponentiellen Wachstums auf einem Planeten mit begrenzten Ressourcen sollte uns das durchaus zu denken geben.
Die Entstehung von Leben hängt zudem von zahlreichen glücklichen Umständen ab. Ein Planet muss sich in einer habitablen Zone befinden, wo Wasser flüssig bleibt. Faktoren wie die Rotationsgeschwindigkeit, der Einfluss eines stabilisierenden Mondes, ein Magnetfeld und eine wenig aktive kosmische Umgebung spielen ebenfalls eine entscheidende Rolle. Selbst der Ursprung von Wasser auf der Erde ist wissenschaftlich noch nicht vollständig geklärt. Diese Voraussetzungen machen deutlich, dass die Entstehung von Leben alles andere als selbstverständlich ist. Die Zeit ist ein weiterer kritischer Faktor. Carl Sagan, ein bekannter Astronom, schätzte, dass eine Zivilisation etwa 10 Millionen Jahre benötigt, um interstellar raumfahrend zu werden. Doch die Menschheit ist gerade einmal 300`000 Jahre alt. Im Kontext der 13,6 Milliarden Jahre alten Milchstraße hatten andere potenzielle Zivilisationen jedoch reichlich Gelegenheit, sich zu entwickeln und auszubreiten. Warum also keine Spur von ihnen?
Eine Theorie besagt, dass exponentielles Wachstum eine solche Ausbreitung verhindern könnte. Jede fortgeschrittene Zivilisation benötigt immer mehr Ressourcen, um ihren Bestand zu sichern. Sollte sie sich langsamer ausbreiten, als ihr Bedarf wächst, könnte dies zu einem Zusammenbruch führen, bevor sie größere Teile des Universums erreicht. Ein Konzept wie der „Lichtkäfig“ beschreibt diese Grenze bildlich: Eine Zivilisation, die mit Lichtgeschwindigkeit expandiert, stößt trotz enormer Geschwindigkeit rasch an die Grenzen ihres Wachstums. Während sich eine Zivilisation ausdehnt und immer weiter ins Universum vordringt, nehmen die Distanzen zwischen bewohnbaren oder nutzbaren Planeten und Sternen überproportional zu. Das könnte dazu führen, dass die Zeiten und Ressourcen, die für Reisen zwischen diesen Punkten benötigt werden, exponentiell ansteigen. Dies könnte eine natürliche Grenze für die Expansion und das Überleben einer solchen Zivilisation im Weltraum setzen.
Selbst Projekte wie SETI (Search for Extraterrestrial Intelligence), die seit über 60 Jahren gezielt nach Signalen suchen, haben bisher keine Hinweise auf außerirdisches Leben gefunden. Doch was sind schon 60 Jahre im Vergleich zur Unermesslichkeit der kosmischen Zeit?
Die Frage „Wo sind sie alle?“ bleibt eine der spannendsten Herausforderungen der modernen Wissenschaft. Es liegt an uns, die Geheimnisse des Universums weiter zu erforschen und vielleicht eines Tages Antworten zu finden. Wie der Schriftsteller Arthur C. Clarke einst sagte: „Entweder wir sind allein im Universum, oder wir sind es nicht. Beides ist gleichermaßen erschreckend.“